Flughafen Tempelhof Parkplatz und Eingang zum Terminal. 300°-Foto: Ajan Hannemann, CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons

Muss ich mich schämen? Muss ich peinlich berührt sein?

Flughafen Tempelhof Parkplatz und Eingang zum Terminal. 300°-Foto: Ajan Hannemann, CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons
Flughafen Tempelhof Parkplatz und Eingang zum Terminal. 300°-Foto: Ajan Hannemann, CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons

Wir Deutschen tragen schwer an unserer nicht so fernen Vergangenheit. Bis vor ein paar Jahren las ich oft „jüngeren Vergangenheit“. Aber zwischen Hitlerfaschismus und heute liegen mittlerweise die Nachwendezeit und die Nachkriegszeit. Der Hitlerfaschismus prägt viele Verhaltensweisen in der internationalen bis zur persönlichen Umgebung. In Polen, Israel oder Griechenland wird von Deutschen immer noch Demut verlangt. Ich bin 1968 geboren. Meine Eltern 1944 und 1946. Der 2. Weltkrieg und die Macht der Hitlerfaschisten ging 1945 zu Ende. Wie muss sich meine Generation verhalten, um nicht mehr unter Verdacht zu stehen, die Geschichte vergessen zu können? Die Generation vor uns hat sich an dem Vermächtnis der Vorfahren abgerackert. Sie hat viel erreicht, aber es gibt auch noch viel zu tun. Zur Zeit ist die Weitergabe rechter Denkweisen im Biotop der Geheimdienste offenbar geworden. Eine Chance für meine Generation zu zeigen, dass wir mit der rechten Vergangenheit nichts zu tun haben.

Eine weitere Chance ist, endlich souverän mit der Geschichte unserer Vorfahren umzugehen und die Zeichen des Hitlerfaschismus zu entzaubern. Jeder Trottel kann sich der Aufmerksamkeit sicher sein, wenn er ein Hakenkreuz oder den Hitlergruß zeigt. Da diese Zeichen gesetzlich verboten sind, werden staatliche Organe aktiv, wenn sie gezeigt werden. Ich selber bin darauf geprägt, bei Ansicht des Hakenkreuzes Abscheu zu empfinden. Mit bleibt immer fast das Herz stehen, wenn ich es in völlig anderen Zusammenhängen sehe, denn das Symbol ist viel älter und mit völlig anderen Inhalten belegt als nur dem Hitlerfaschismus.

Können wir damit aufhören? Können wir uns davon lösen? Kann ein Hakenkreuz wieder einfach ein Hakenkreuz sein? Ich glaube nicht, dass das geht. Ich werden jedenfalls nicht mehr umlernen können. Meine erste Assoziation wird immer Hitlerdeutschland sein. Aber wenn jemand glaubt, sich diese eklige Ideologie zu eigen machen zu müssen und das dann auch noch öffentlich tun zu müssen, können wir ihn dann nicht einfach auslachen oder nicht beachten, jedenfalls nicht mit besonderer Beachtung belohnen, die die Strafverfolgung ihm zusichert?

Wie ist mein persönliches Verhältnis zum Hitlerfaschismus? Mein einer Großvater war einfacher Soldat auf einem Minensuchboot auf dem Ärmelkanal. Mein anderer Großvater wurde, weil er Kommunist war, im KZ zu Krüppel geschlagen. Ich bin in der DDR aufgewachsen, in der ein stark vereinfachtes Geschichtsbild gelehrt wurde, mit den Faschisten als den Bösen und den Sowjetsoldaten und den deutschen Kommunisten als den Guten. Diskussion zu Fragen wie: „Wo kamen die Faschisten her? Waren alle Sowjetsoldaten gut?“, die zum Beispiel beim Lesen von „Die Abenteuer des Werner Holt“ und anderen Werken aufkamen, wurden von meinen Lehrern geschickt unterdrückt. Seither habe ich mich immer wieder mit diesem Teil der Geschichte beschäftigt. Beim Lesen von Berichten aus KZs habe ich mir Albträume eingehandelt, die mich immer noch verfolgen. Aber: Muss ich mich schämen? Muss ich peinlich berührt sein?  Ich denke: Ja, ein bisschen. Aber diese Scham für etwas, das Menschen getan haben, die erst jetzt langsam ausgestorben sind und mit denen ich vielleicht Tür an Tür gewohnt habe – sie soll mich nicht daran hindern, mich vorurteilslos mit allem zu befassen, was in unserer Welt passiert.

Der Umgang mit die Zeichen der Vergangenheit in Deutschland erfolgt in bizarren Verrenkungen, zum Beispiel, um den Zugang zu dem Buch „Mein Kampf“ von Adolf Hitler zu erschweren. Dazu wird das Urheberrecht bemüht, das nach der Selbstrichtung des Hitler im Jahre 1945 an die Bayrische Landesregierung übergegangen ist. 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers läuft der Schutz aus und ermöglicht dieses Hacking des Urheberrechts nicht mehr. Welche Optionen stehen offfen?

  1. Nichts tun
  2. Eine historisch-kritisch kommentierte Ausgabe herausgeben
  3. Eine historisch-kritisch kommentierte Ausgabe für etwa 500.000€ in Auftrag geben, aber kurz vor Fertigstellen das Projekt abbrechen, da mein kein volksverhetzendes Buch herausgeben will
  4. Den Urheberrechtsschutz verlängern

Die Bayrische Landesregierung hat sich für den Stopp der historisch-kritischen Ausgabe von „Mein Kampf“ entschieden. Das ist eine Blamage.

Es steht aber der Weg offen, sich noch mehr zu blamieren, den Urheberrechtsschutz zu verlängern und damit den Zustand des unsouveränen Umgangs mit den Zeichen der Deutschen Vergangenheit zu verlängern.


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